Peter Schraml

Dipl.-Ing. (FH) Architektur
Master of Public Administration

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Momentane Umsetzung von Spielplätzen an ausgewählten Schulen: Blindeninstitutsstiftung München

Impulsvortrag von Christl Daentler | 18.10.2019

Pädagogin an der Blindeninstitutsstiftung München

Barrierefreier Spielplatz am Blindeninstitut München
Maria-Ludwig-Ferdinand-Schule in Neuhausen / Romanstraße – Lachnerstraße – Winthirstraße

Ausblick auf die Einrichtung / Schule:

Das Blindeninstitut ist ein Förderzentrum für mehrfach behinderte Kinder und Schüler mit Schwerpunkt Sehen; in München ist das Blindeninstitut seit 1985 angesiedelt. Die Stiftung wurde von Moritz Graf zu Bentheim-Tecklenburg 1853 gegründet. Die Blindeninstitutsstiftung ist eine gemeinnützige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Hauptsitz in Würzburg. An weiteren sieben Standorten in Bayern und Thüringen ist die Blindeninstitutsstiftung angesiedelt mit Frühförderzentren, Schule, Heilpädagogischer Tagesstätte, Internat, Ganzjahreswohnen, Kurzzeitwohnen und Ferienbetreuung, mit therapeutischen Angeboten, Förder- und Werkstätten. Dazu kommt noch die mobile Förderung in Form von individueller, pädagogischer Begleitung in den Familien.
Angeschlossen im Haus in der Romanstraße ist das Kinderhaus Ferdinand, welches Vorschulkindern wie Hortunterbringung u.a. für den Nachwuchs der Mitarbeiter der BIM ermöglicht.

Werdegang / Geschichte des Spielplatzes:

Seit 1992 wurde die Idee intensiviert, dass die bestehende Freianlage für das spezielle Klientel umgestaltet werden sollte und somit auch das Förderkonzept der Institution auf dem Spielplatz umgesetzt werden kann. Ziel sollte es sein, ein Spielgelände zu kreieren, das Kindern mit und ohne Behinderung entspricht.
Auf diesem Gelände sollten sich diverse Gruppen treffen, um Kontakt aufzunehmen und dass auch Berührungsängste abgebaut werden können. Die örtliche Nähe vom Haus zum Spielplatz hilft sehr, dass ohne großen Aufwand von Personal und Zeit der „Erlebnisraum Spielplatz“ im Alltag oder auch in der Freizeit genutzt werden kann.

Eine Erzieherin initiierte den Beginn mit einer Sammlung von Vorschlägen und Wünschen. Ab 1996 wurde dann der sogenannte AK Spielplatz ins Leben gerufen. Pädagogen und Therapeuten planten, erstellten Entwürfe und testeten auch diverse Bodenbeläge. Der Förderverein Blindenhilfe Südbayern e.V. nahm sich des Projektes an. Die Schul – wie Heimleitung, der Elternbeirat und auch die Mitarbeiter des AKs wurden vom Förderverein sehr unterstützt, so dass ein SPIELEN OHNE GRENZEN – barrierefrei – vielfältig – intergrierend möglich gemacht werden konnte.

Die Umsetzung dieses Spielplatzprojektes wurde dem Mühldorfer Landschaftsarchitekten Herr Lothar Köppel übergeben.
Fa. Köppel hat in München z.B. im Tierpark Hellabrunn barrierefreie Spielbereiche am Nashorn und am Kinderzoo gestaltet, die vielleicht einigen hier anwesenden Personen bekannt sind.

Anforderung an das Nutzungskonzept des Spielplatzes:

Folgende Punkte beim Um- bzw. beim Ausbau des Spielplatzes mussten entsprechend der Konzeption des Blindeninstituts berücksichtigt werden.

1. Orientierung und Mobilität für Blinde und Sehbehinderte

Für die blinden und sehbehinderten Kinder und Schüler soll das Spielareal weitgehend eigenständig erfahrbar sein und allein bewältigt werden können. Aus diesem Grund wurde für den Spielplatz ein eigenes Wegeleitsystem bzw. Orientierungssystem entworfen.
Die Wege sind blau eingefärbt – Tartan ähnelt es, ist aber eine spezielle Mischung. An den Seiten des Weges sind niedrige, gelbe Eisenvorrichtungen angebracht, die ein weiterer Hinweis für die Sehbehinderten sein sollten. Der gelbe Mittelstreifen ist erhaben und auch dies dient als Orientierungshilfe für den Sehgeschädigten, der sich mittels des Langstocks über das Gelände bewegt.
Gefahrenstellen und Wegkreuzungen sind optisch und akustisch hervorgehoben (Querstreifen über den Weg). Nähert man sich einer Gefahrenstelle wie z.B. dem Trampolinbereich, erzeugt es durch Begehen des Weges Warntöne in dem Bereich.

2. Barrierefreiheit

Die Anlage ist sowohl für die Rollstühle wie für die Gehwagen ohne Stufen auf den Wegen zu befahren wie zu bewältigen.

3. Behindertengerechtigkeit

Wege, Pflanzungen wie auch alle Spielgeräte sind für die unterschiedlichsten Behinderungsarten und -grade zugänglich.
Die Rutsche wurde extra breit konzipiert, dass ein schwerbehinderter Schüler mit Betreuer gemeinsam rutschen kann. Ebenso wurde auch der „Auslauf“ der Rutsche verlängert, dass ein Betreuer den wenig mobilen Schüler gut auffangen und dann in den Rolli umsetzen kann.
Auch das Karussell ist gleichzeitig von behinderten Kindern im Rolli wie auch von Fußgängern zu nutzen.

4. Altersunabhängig

Die Spielgeräte sind für alle Altersgruppen geeignet und regen zum gemeinsamen Spiel von Behinderten und Nichtbehinderten an. Die Schüler von BIM wie auch die Kinder vom Kinderhaus / Hort spielen also nebeneinander, teils miteinander auf diesem Gelände.
Der Spielplatz ist teil-öffentlich und so kommen gerne auch Kinder aus benachbarten Kindergärten und Familien aus der näheren Umgebung.

5. Multifunktionalität

Der Spielplatz bietet viele unterschiedliche Spiel – und Erfahrungsmöglichkeiten. Die Fläche des Spielareals erstreckt sich auf über 2000 Quadratmeter. Diverse Angebote und Spielbereiche werden sowohl schwer behinderten Kindern gerecht wie auch den Sehbehinderten.

6. Getrennte Raumeinheiten

Die verschiedenen Spielweisen (laut/aktiv – bewegt/kreativ – leise/ sinnesbetont) sind voneinander soweit es möglich ist getrennt. Daher wird der Spielplatz in vier Bereiche eingeteilt: Aktiv-, Kreativ-, Zentral- und Sinnesgarten.
Je nach den Bedürfnissen der Schüler wird dann gewählt, welcher Sinnesbereich dem Betreuten am besten entspricht.

7. Bestanderhaltung

Die teils recht alten Gehölze mussten erhalten bleiben und in die Neubepflanzung integriert werden.
Die Mauer als Einfriedung der Freianlage blieb erhalten und wurde völlig umgestaltet.

8. Sinneserfahrungen

Die sehbehinderten und blinden Kinder bekommen im Freigelände ausreichend Erfahrungsmöglichkeiten für die oftmals vernachlässigten Sinne zur Kompensation geboten: Tasten, Hören, Riechen und Schmecken.
Wir wollen dort die Eindrücke, die über das Auge nicht wahrgenommen werden können, erlebbar machen! – So Frau Stecher-Stepp, welche die Institutsleitung innehat (in BISS 2002:6)

Spielbereich der Sinne:

Die vier verschiedenen Bereiche hatte ich schon genannt und jetzt gehe ich darauf noch etwas genauer ein.

Der Aktivbereich:
Der östliche Teil des Freigeländes ist mit bewegungsintensiven, körperbetonten, eher sportlichen Aktionsmöglichkeiten durchsetzt. Der hölzerne Spielturm ist gut über einen flach ansteigenden rollstuhlgerechten Weg zu erreichen. Dort finden sich auch Kletternetze, eine Rutsche, eine Hängebrücke und den Erdhügel zum Erproben motorischer Geschicklichkeit. Versteckmöglichkeiten finden sich ebenso am Turm wie z.B. Hohlräume, Gucklöcher und Vorhänge.
Der Sand- und Matschbereich zählt zum Aktivbereich, das Rollstuhlkarussell und auch das Wasserspiel mit Klangelementen.

Der Kreativbereich:
Das große Trampolin, erhöht im Boden eingelassen, um rückenschonend die mehrfach behinderten Kinder auf das Tuch legen zu können, und der Wasserturm mit dem bachähnlichen Ablauf sind die Hauptelemente. Das Wasser hören oder im Wasser plantschen – das sind tolle Eindrücke. Trampolin und Wasserturm sind etwas weiter voneinander entfernt und somit kann dazwischen gehüpft, gerollt oder kleine Spiele veranstaltet werden.

Der Zentralbereich:
Dort finden sich das „Vogelnest“ (Schaukel für mehrere Kids) und die Sitzschalenschaukel. Taue mit Klangelementen sind quasi wie ein Vorhang zum Ein-/Ausgang zu verstehen. Die Schaukelbewegung verbessert das Gleichgewichtsgefühl.
Der Pavillon, der gegenüber des Schaukelbereiches steht, kann bei plötzlichen Wetterumbrüchen als Zufluchtsort aufgesucht werden. Der offene Grillplatz, neben dem Pavillon, wird gern genutzt.

Der Sinnesgarten:
Die Sinne der Schüler werden hier angesprochen, nämlich durch den Duftgarten. Unterfahrbare Beete ermöglichen Rolli-Kids das Erlebnis Erde und Pflanzen. Salbei, Thymian, Oregano finden sich ebenso wie wohlriechende Rosen oder Erdbeeren

Die vier Bereiche sind mit dem schon erwähnten speziell entwickelten Wegesystem verbunden. Noch nachtragen möchte ich, dass der Farbkontrast Blau–Gelb die stärkste geistig verarbeitbare Farbunterscheidung bei Sehbehinderten bietet.
Integrierte Querstreben und bewegliche Klangschwellen im Wegesystem signalisieren eine Kreuzung oder den Wechsel zum Aktivbereich.

Die Mauer wurde von Frau Ellen Widmann gestaltet – gerade jetzt ist die aktuellste Renovierung abgeschlossen. Durchsetzt mit Fenstern, einem Türmchen zum Besteigen, Löchern, bunten Plexiglasfenstern und eingebauten Holzelementen ermöglicht die Mauer dem Besucher viele Blickwinkel von innen nach außen und umgekehrt.
Eine aufgeputzte Tastlinie geleitet Sehbehinderte innen an der Mauer entlang und führt zu verschiedenen fühlbaren Mosaikbildern oder Klangkörpern wie z.B. einer Klangharfe.
Hundertwasser war gedanklich wohl Inspiration für die Künstlerin.

Erwähnen möchte ich noch, dass in einem anderen Teil des Innenhofes eine Rollstuhlschaukel – weit ab vom anderen Spielgeschehen – steht.

Fertigstellung:
2000 wurde der Spielplatz feierlich eingeweiht und Dank vieler großherziger Spenden konnte das Spielplatzprojekt mit einem Kostenrahmen von ca. 1,2 Mio. DM verwirklicht werden.

Einige schwere Steine mussten aus dem Weg geräumt werden, nicht zuletzt wegen der Vorschriften, die vom TÜV vorgegeben waren.
All der Aufwand hat sich gelohnt, der barrierefreie Spielplatz wird von vielen Besuchern angenommen.
Leider sind die behinderten Kinder dann im Nachteil, wenn sie nicht die für sie gut geeigneten Spielgeräte nutzen können.

Alles in allem ist dieser Spielplatz ein Ort der Begegnung und der Integration!

ID = 7866

3. Fachtagung in Kooperation mit:

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ID = 7311

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